Im Nachgang der Konferenz, die vom 12.-14. Juni an der Ruhr-Uni Bochum stattfand, veranstaltet u.a. in Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung, sprach ich mit Henriette Knoblich, Studentin der Gender Studies an der Humboldt-Universität, über die für sie wichtigen Fragen der Konferenz. Henriette absolviert zur Zeit ein Praktikum in meinem Büro und hat in diesem Rahmen mit großem Interesse an der Konferenz teilgenommen.
Claudia Neusüß: Wir haben gemeinsam die Tagung Frauenfragen sind Männerfragen sind Geschlechterfragen? 40 Jahre Neue Frauenbewegungen. Und jetzt? besucht. Im Wesentlichen ging es darum, zu reflektieren, was Feminismus und (neue) Frauenbewegung(en) in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik erreicht haben – oder auch nicht. Innerhalb dieses Rahmens deckten die Beiträge eine Vielzahl von Fragestellungen ab: Mich interessiert deshalb zunächst, welche Themen und Fragestellungen für Dich im Vordergrund standen.
Henriette Knoblich: Das waren vor allem zwei Bereiche. Wichtig fand ich zum einen den geschlechterdialogischen Ansatz der Konferenz. Schon der Titel Frauenfragen sind Männerfragen sind Geschlechterfragen ließ ja erwarten, dass es zu spannenden Diskussionen auch mit Männern über das/die Geschlechterverhältnis(se) kommen würde.
Ich finde es spannend und wichtig zu überlegen, wie man den Austausch mit Männern und den Einfluss männlicher Sichtweisen stärker in den (unversitären) Genderdiskurs einbinden könnte. Also: Wie kann man Männer für Gleichstellungsthemen interessieren und/oder welcher Form der Ansprache bedarf es, um stärker mit ihnen in Dialog zu treten? Hier Ansätze zu finden wäre eine wichtige Voraussetzung für eine gerechtere Arbeits- und flexiblere Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern.
Zum anderen war ich gespannt darauf, wie die RednerInnen den Austausch zwischen FeministInnen und GenderexpertInnen aus der Wissenschaft und der Praxis beschreiben und bewerten würden.
CN: Was sind Deiner Meinung nach wichtige Entwicklungen, die auf der Konferenz diskutiert wurden?
Ilse Lenz bezeichnete die Einbeziehung von Männern in den Gleichstellungsprozess gerade in unsicheren Lebenslagen als eindeutige win-win-Situation für beide Geschlechter. Ihrer Ansicht nach seien aber leider auch Retraditionalisierungstrends zu beobachten. Eine allgemeine gesellschaftliche und wirtschaftliche Verunsicherung führe eben nicht immer zu einer Neupositionierung bzw. der Entwicklung neuer Lebensentwürfe. Während die Frauen heute über immer bessere Bildungschancen und -abschlüsse verfügten und auch die Frauenbeteiligung in der Politik gestiegen sei, gestalte sich die gerechte Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, laut Lenz, weiterhin problematisch. Dieser Diagnose würde ich zustimmen. Gleichzeitig sehe ich aber auch, dass die Debatte um die Verteilung von Arbeit noch zu sehr innerhalb der Frauen- und Männerbewegungen geführt wird. Hier wäre ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs zweifellos hilfreich.
Die Debatte um die Verteilung von Arbeit müsste meiner Meinung nach gesamtgesellschaftlich geführt werden und nicht nur von und unter Frauen, sowie den Anhängern der Väterbewegung.
Der Organisationsberater Ralf Lange vertrat die Ansicht, dass das Nachdenken über Männlichkeit(en) in den Gender Studies angekommen sei. Er war zuversichtlich, dass Gender über die Strategie des Gender Mainstreamings als Strukturkategorie in Organisationen aufgenommen werden könne. Seiner Erfahrung nach lassen sich Männer dann gut erreichen, wenn sie erkennen, dass die Maßnahmen ihrer Organisation oder Institution zu Gute kommen. Mithilfe von Stichworten wie Qualitätssicherung und Gewinnmaximierung seien männliche Führungskräfte oftmals zugänglicher für Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung oder zur leichteren Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Geschlechter.
Lange betonte, dass es in der Wirtschaft eine ungeahnt große Unkenntnis über Geschlechterungleichheiten und die Relevanz solcher Themen gebe. Gerade die jüngere Männergeneration interessiere sich jedoch verstärkt für Themen wie (aktive) Vaterschaft und/oder Gesundheit. In diesen Feldern fehlten aber geeignete Rollenvorbilder, an denen sich Männer orientieren könnten.
Dialog und Bündnisse mit Männern sind ebenso wichtig wie zwischen den Generationen,
Frauen- und Männerleben müssen in ihrer Vielfalt wahrgenommen werden,
Intersektionalität ist die Zukunft, obgleich diese Vielfalt immer schon da war.
CN: Dein anderer Punkt war die Frage Wissenschaft Praxis- Austausch. Was hast du zu diesem Thema von der Konferenz mitnehmen können?
HK: Deutlich wurde, dass es einen Qualifizierungs- und Reflexionsbedarf aus der Perspektive gleichstellungspolitischer Praxis gibt, der sich zunehmend auch an die Universitäten richtet. Die Universitäten stehen ganz offenbar vor der Herausforderung entsprechende Angebote zur Diskussion einzurichten. Gleichzeitig forderten Wissenschaftlerinnen wie Gudrun Axeli-Knapp Freiräume für die kritische Geschlechterforschung und Theoriebildung, ohne diese (vorschnell) einem Praxisnutzen zu unterwerfen (vg. Gudrun Axeli-Knapp).
Paula Villa betonte, dass feministische Theorie in der Praxis scheitern müsse, weil es keine eine Antwort auf die Frage gäbe, was Geschlecht eindeutig sein könne.
Allerdings hat die Konferenz auch gezeigt, dass die Frage nach der Verbindung von Theorie und Praxis noch nicht ausreichend gelöst ist. Hier scheinen je unterschiedliche Interessen der verschiedenen AkteurInnen zu wirken. In Zukunft braucht es vielleicht noch mehr Aufgeschlossenheit füreinander und gemeinsames Nachdenken.
Wichtig fand ich zu betonen, dass gerade junge Frauen (und auch Männer) mehr über die Geschichte und die Diskurse der Frauenbewegungen und ihre Bedeutung für die heutige Situation erfahren sollten. Ich beobachte oftmals Vereinzelung und individuelle Bearbeitung von Problemen, wo das Wissen um die politische Dimension struktureller Ungleichheitslagen verloren zu gehen droht. Wünschenswert wäre, dass eben dieses Wissen um das Politische immer wieder erinnert wird (etwa durch einen generationenüergreifenden Dialog zwischen Frauen.)
CN: Die Veranstaltung war ja auch eine Feier, Ilse Lenz hatte Geburtstag und es galt ein großes Lebenswerk zu würdigen…
HK: Ja, das war eine sehr sympathische Mischung: Eine herzliche Atmosphäre der Würdigung der Arbeit von Ilse Lenz und gleichzeitig viele spannende Inputs. Es war interessant, die WissenschaftlerInnen, deren Texte ich tagtäglich im Studium behandle, einmal erleben zu können. Die drei Tage waren für mich sehr aufschlussreich!
Das Programm der Tagung findet sich hier FrauenfragenMnnerfragenGeschlechterfragen.pdf.